Nach der Militärweltmeisterschaft und vor den Europameisterschaften der U23 sprach ringerspiegel.ch mit Damian von Euw. Dieses Interview wurde vom "Boten der Urschweiz am 30.05.2018 veröffentlicht.
rs.ch bringt den Text.
Herr von Euw, sie kamen von den Militärweltmeisterschaften mit der Silbermedaille im Halbschwergewicht bis 97 kg wieder. Eine Überraschung für die Ringerfamilie der Schweiz.
Mit welchen Erwartungen gingen Sie nach Moskau?
Ich wusste bereits im Vorfeld, dass mit hochkarätigen Teilnehmerfeldern in allen Gewichtsklassen zu rechnen war. Das bestätigte sich dann auch. Es war mein zweiter Start in Russland. Als Kadett konnte ich bereits beim “Prix Brothers Samurgashev“ 2015 in Rostov am Don starten und weiss, dass Ringerveranstaltungen dort auf höchstem Niveau ablaufen. Ich erwartete eine würdige Weltmeisterschaft der CISM (Die Sportvereinigung der Streitkräfte aller Nationen).
Was erreichten Sie damals als Kadett?
Ich errang als einziger Westeuropäer die Bronzemedaille und bekam viel Anerkennung von der russischen Seite.
… und wurden Ihre Erwartungen in Moskau erfüllt?
Voll umfänglich. Vom Quartier, über die Verpflegung bis zur gesamten Veranstaltung.
Welche persönlichen Vorstellungen nahmen Sie mit nach Moskau?
Ich stellte mich nicht unter Druck. Als Junior bei der Militärweltmeisterschaft setzte ich mehr auf einen weiteren Lern- und Erfahrungsprozess bei internationalen Meisterschaften. Mich interessierte auch nicht die Auslosung. Diese vollziehen seit einiger Zeit die Trainer bzw. andere Beauftragte am Vortag der Abwaage. Aber dann bekam ich sie trotzdem mit und erfuhr, dass mein erster Gegner der kasachische Vertreter war.
Nachdem Sie es doch erfuhren, wurden Sie nervös?
Am Morgen des ersten Wettkampftages war ich doch etwas aufgeregt. Das legte sich aber nach Betreten der Wettkampfstätte. Nach dem warm up fokussierte ich mich voll auf den Kampf. Ich wusste, ein erster Sieg würde mir das Tor zu mehr öffnen, mit dieser Einstellung ging ich in den Kampf gegen den Kasachen.
Diesen gewannen Sie mit Technischer Überlegenheit, wie war das mit dem zweiten Kampf?
Der Iraner Heidari offenbarte sich als kompakter starker Gegner. Es war schwer, ihn greifen zu können. Ich behielt aber die Ruhe. Der Iraner nicht: Aus meiner Kopfklammer in den letzten Sekunden liess ich ihn nicht heraus, er foulte, und das Kampfgericht bestrafte ihn mit zwei Zählern für mich. Das war dann der Endstand von 5 zu 5 Punkten. Das Regelwerk sicherte mir den Sieg.
Wie fühlten sie sich anschliessend?
Körperlich war ich einfach platt und hatte keine Gedanken im Kopf, nach und nach wuchs das Glücksgefühl und die Freude über den Finaleinzug am nächsten Tag. Ich spürte alle Strapazen in den Muskeln. So eine Weltmeisterschaft der Aktiven ist doch etwas anderes, als ein Juniorenturnier.
Wie verlief das Finale?
Ich erholte mich körperlich und hoch motiviert. Entweder oder, dachte ich. Ich war parat und besass ein klares Kampfkonzept gegen den Finnen Kuosmanen, der den Topfavoriten und Titelverteidiger Melnikov aus Russland eliminierte. Es lief zu Beginn recht gut. Eine Sekunde liess ich die Spannung raus und der Nordeuropäer punktete entscheidend gegen mich. Somit stand er auf der obersten Stufe. A b e r ich bekam die Silbermedaille überreicht, bin Vizeweltmeister.
Wie war die Resonanz darüber?
Noch in Moskau erreichten mich zahlreiche Glückwünsche von Freunden der Ringerriege Brunnen, der Swiss Wrestling Federation sowie vieler Sportler in der Welt, die mich kennen.
Wie begann das eigentlich mit dem Ringkampf für Sie?
Mein jüngerer Bruder, mit dem ich heute in einer Mannschaft bei der Ringerriege Brunnen kämpfe, nahm mich mit und ich begann Spass daran zu haben.
… und wie weiter?
Ich wollte dann unbedingt Schweizer Meister werden. Trainierte dafür, beobachtete internationale Spitzenathleten in der Deutschen Bundesliga; und so reifte meine Idee: „So gut will ich auch werden.“ Ich kämpfte um den Kaderstatus beim Schweizer Verband. Damit stand mir der Weg für internationale Auftritte offen. Diese ebneten mir den Weg zur Spitzensport-RS in Magglingen und natürlich den nach Moskau mit meinem bisher grössten Erfolg.
Wieso entschieden Sie sich für den Griechisch-römischen Stil?
Ich überlegte lange, konsultierte erfahrene Trainer und kam letztendlich zur Entscheidung. Diese begründete sich aus meinen körperliche Voraussetzungen wie Körpergrösse und Hebelverhältnisse, insgesamt meiner physischen Grundstruktur. Diese Stilart erfordert einfach viel Raffinesse, da die Angriffsfläche an der Hüfte endet.
Wie verlief die unmittelbare Vorbereitung auf diese WM des Militärs der Welt?
Ich traf mich z.B. mehrmals mit meinem Freund Oliver Hassler, der 2014 in meiner Kategorie den Vizeweltmeistertitel in Taschkent (Usbekistan) errang, zum gemeinsamen Training. Diese Freundschaft entwickelte sich über nunmehr zwei Jahre. Anfangs saugte ich alles was er zeigte förmlich auf, heute hat sich das etwas verschoben. Er kann auch von mir profitieren. Beide starteten wir in Moskau. Er scheiterte jedoch im ersten Kampf gegen den Russen Melnikov.
Wie geht es mit den Wettkämpfen bei Ihnen weiter?
Mein Nationaltrainer will mich durch die Teilnahme an den Europameisterschaften der Athleten unter 23 für die internationalen Titelkämpfe in meiner Altersklasse, den Junioren, langfristig aufbauen. Alles Teilziele für meinen grossen Wunsch, Teilnehmer an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio zu werden.
Wie kommt man dahin?
Die Selektion beginnt mit der Weltmeisterschaft 2019 und geht dann 2020 weiter über mehrere Turniere im Olympiajahr.
Wie regenerieren Sie sich, um alle diesen Belastungen im Training und Wettkampf zu überstehen?
Ich sehe für mich und jeden Spitzensportler wichtige Punkte: Viel Schlafen, gute Ernährung, Massagen und Sauna. Grosse Bedeutung lege ich in regelmässigen Checks beim Physiotherapeuten.
Würden Sie sich als Talent bezeichnen?
Wenn das einseitig nur sportlich gesehen wird, dann eher nicht. Mein Bruder ist da wesentlich geeigneter. Wenn aber zu einem Talent auch Motivationsfähigkeit, hohes Anspruchsniveau an sich selbst, Fleiss und Ehrgeiz gehören, dann ja. Das sind meine Stärken. Sportlich kommen ein erfolgreich erarbeitetes Technikprofil und taktische Reife dazu.
Sie erleben viel, sehen viel wie viele andere nicht. Was verpassen Sie dafür?
Darüber dachte ich viel nach, bevor ich mich dem Spitzensport verschrieb. Ich stelle meine berufliche Weiterentwicklung zur Zeit hinten an, würde gerne öfter Zeit im Familienkreis verbringen. Meine Kollegen warten auch auf mich. Ich habe mich entschieden, das muss ich so in Kauf nehmen. In der Nationalmannschaft sind wir ein super Team und mögen uns alle, aber jeden trifft es wie mir. Das lässt es etwas einfacher ertragen.
Sehen Sie in Ihrem Verein weitere Athleten, die international mitreden könnten?
Die Ringerriege Brunnen betreut insgesamt fünf Nationalkader, von denen, mich eingeschlossen, bereits vier Ringer internationale Meisterschaften bestritten. Eine hohe Belastung für den Verein. Jeder muss sein Potential ausreizen, auf einiges verzichten und die Zukunft wird es zeigen.
Wegen dieser Belastung gründeten Aktivisten der Ringerriege einen Förderverein, was halten Sie davon?
Das ist eine grossartige Sache, zuerst angedacht, nur mich zu unterstützen, bin ich dafür, alle Talente meines Vereins zu fördern. Das Prinzip setzen die Gründer mit ihrer Satzung auch um. So sehen jüngere Nachwuchsathleten, dass ihr Einsatz Anerkennung und Unterstützung geniesst.
Herr von Euw, wir bedanken uns für dieses Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg für ihrer anspruchsvollen Ziele.
Zur Person:
Geboren: 17.08.1998 Wohnt: in Ingenbohl Beruf: Kaufmann Lieblingsgetränk: Früchtetee Lieblingsspeise: ein gutes Stück Fleisch Lieblingstier: Löwe